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Nach Lisewa über die Weichsel
11./12.6.
Radfahren im Sommer   Die Weichsel  
Do. 10.6.
Es sind sehr gute Bedingungen - 180 km Tagesleistung. Dabei kam die Krönung am Ende. Ich wollte ein Hotel nehmen und bin eigentlich nur so lange gefahren, weil keines vorbei kam. Ich war nach diesen billigen Preisen fest darauf eingestellt, ein Hotel zu nehmen. Diese Einstellung musste ich allmählich fallen lassen. Sie war der Vorstellung gewichen, ohne Duschen frei zelten zu müssen. In Lisewa (Lisau) fragte ich in einem noch geöffneten Lebensmittelladen nach 'wolne pokoj'. Man überlegte, dann ein Kunde: "einä Minut bittä warten"! Ich wartete. Er hatte den Besitzer des Ladens geholt. Dieser erklärte mir in bestem deutsch, dass er nur Ferienhäuser vermietet. Ich könne aber in seinem großen Garten mit viel sauber geschnittenem Rasen zelten. Er führte mich dann auch durch einen Hintereingang des Ladenhauses in das Badezimmer seines Vaters, der, wie er erklärte, gerade zu Besuch aus Frankfurt/M. hier wäre. Ich dusche schnell und baue das Zelt auf. Da kommt der Vater schon, bittet mich rein, macht mir einen Kaffee, hat 2 Brötchen und macht eine sehr gute polnische Wurst für mich heiß. Wir trinken Weinbrand und er erzählt. Er ist Deutscher, hat aber auch die polnische Staatsbürgerschaft. Er ist Rechtsanwalt, ist nie geflüchtet oder vertrieben worden. Seine Frau und eine behinderte Tochter leben mit ihm in Bad Soden-Salmünster. 2 andere Töchter haben in Polen studiert und sind dort berufstätig. Nur der Sohn - ein guter Ficker, wie er erklärt - hat Enkel. Er hat nicht nur den Laden, sondern ist studierter Bauingenieur, betreibt die Ferienwohnungen und dies und das, meistens Frauen.
Er möchte, dass ich unbedingt noch bleibe. Ich mache keine Zusage, bin aber fest entschlossen, morgen weiter zu fahren. So schreibe ich
am Freitag, 11.6.
ihm einen kleinen Dankesbrief, in dem ich ausdrücke, dass ich nach so vielen Wochen auf der Straße jetzt endlich nach Hause möchte, was ja der Wahrheit entsprach. Die Ausrede, dass ich zum Geburtstag meiner Frau, den ich vorsichtshalber nach vorne verlege, zu Hause sein will, akzeptierte er nicht.
Der Tag wird mir sehr schwer. Vielleicht liegt das an dem vielen Branntwein am letzten Abend. Die Überquerung der Weichsel feiere ich als wichtiges Etappenziel. Dabei gerate ich auf den Radweg Nr. 1 von Calais nach St. Petersburg und folge ihm eine Weile. Aber er führt mich in eine völlig falsche Richtung - wahrscheinlich die nach St. Petersburg. Ich fahre zurück, habe dann aber Probleme Bydgosczcz (Bromberg) zu umgehen, weil wieder einmal alle Straßen plötzlich zu Autobahnen werden, verboten für Radler. Meine Such und Versuche nach Himmelsrichtung, Nase und grober Karte führen mich über Wald- und Irrwege dann doch ans Ziel. Aber alles kostet Kraft und Zeit. Der Vorsprung, den ich gemäß Plan mit meiner Bestleistung vom Vortag rausgeholt habe, schmilzt dahin.
Immerhin finde ich 30 km vor Pila in Wyrzysk ein Hotel für Zl 30,- ohne zu handeln. Die Frau spricht deutsch und ich kann die Küche nutzen und mir zum Frühstück Tee machen. In diesem Ort ist die Kirche am Marktplatz gerade Zentrum des Geschehens, weil alle kleinen Mädchen, weißgekleidet, bekränzt, Bastkörbchen schwingend (wahrscheinlich ?) erstkommunioniert wurden. Die Gesänge, Gratulationen, Gespräche kann ich, wenn auch nicht dem Inhalt, so doch der Form nach, in weitem Umkreis der Kirche mitkriegen.

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